Freitag, 12. Oktober 2012

Der Kampf der Jahrtausende (Teil 13)



»Meine Hypothesen: Das Subjekt als Vielheit.«
Friedrich Nietzsche, 1887, in »Der Wille zur Macht«

13. Pluralis Majestatis

Die Zukunft besteht aus Wissen. Schon haben wir aus purer Geistesmaterie einen eigenen, gewichtslosen Kontinent geformt. Das ist der Cyberspace, der über seine Software die Menschen auf neue Weise sozialisiert.
Im Cyberspace kann sich jeder Mensch als das Zentrum definieren. Hier kann er seine eigenen Lebensverhältnisse definieren. Hier hat er nicht nur ein Ich, hier kann er viele Ichs nebeneinander stellen – ohne sich dabei clonen zu müssen. Jedes Pseudonym ist ein eigenes alter ego, ein anderes Ich. Der Mensch teilt sich dabei nicht nur in eine Zukunft, sondern in viele – für jede seiner selbst bestimmten Rollen. Er ist sich selbst sein eigenes Gestaltungswerkzeug.
Jeder Erscheinungsform kann er eine eigene Gegenwart, eine eigene Vergangenheit, eine eigene Zukunft, ein eigenes Alter, ein eigenes Wissen, eine eigene Vita  geben. Er wandert hin und her. In Zeit und Raum. Zwischen sich selbst.
Ein Traum wird virtuell. 1967 hatte ihn der Schriftsteller Brian Aldies, in seiner Erzählung »Still Trajectories« beschrieben: »Vergesst Vergangenes, lebt überall zugleich, trennt euch, öffnet euch, gebt euren Launen nach, macht alles, überall zugleich, verstreut eure Fotos zum Segen aller in alle Welt. Vertausendfacht euch, und ihr werdet eine große, stille Flugbahn, nicht längs, sondern seitwärts gesehen, eine unilaterale Unsterblichkeit.«
Im Cyberspace steuert der Mensch sich selbst – in all seiner Vielheit. Es ist genug Platz da. Für Abermilliarden unterschiedlichster Egos. Jeder ist hier ein absoluter Souverän, kann von sich selbst in der Wir-Form sprechen, im Pluralis Majestatis. Als Herrscher wählt er sich sein eigenes Volk.

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